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Was Welpen wirklich brauchen

Alle jungen Säugetiere durchlaufen eine Phase des extrem schnellen Lernens. Bei Canis familiaris ist es in einem Bereich zwischen der 3. und 16. Lebenswoche geöffnet. Die Geschwindigkeit der Entwicklung hängt vom Hundetyp ab. Die ersten 2 Wochen dieser Zeit werden auch als Phase der primären Sozialisation bezeichnet. Im Nervensystem ist der Parasympathikus vorherrschend. „Sensible Phase“ ist: Zeitabschnitt während der Verhaltensentwicklung, in dem bestimmte Erfahrungen einen grösseren Einfluss auf die Entwicklung des Individuums haben als zu einer anderen Zeit. Spannend wird die sensible Phase, wenn der Welpe beweglicher wird und Erkundungsverhalten zeigen kann. Dieses Zeitfenster beginnt etwa mit Woche 4! Es endet mit Meideverhalten gegenüber neuen, manchmal auch vertrauten Reizen etwa ab Woche 7–9. Zu Beginn dieses Zeitfensters erregen neue Reize wenig Meideverhalten; im Verlauf der folgenden Woche lösen neue Reize häufiger und stärker Meideverhalten aus.

Nach der Übergabe

Wird der Welpe abgegeben, verliert er schlagartig alle Bindungen, die er bislang aufbauen konnte und die ihm bei der beginnenden Umwelterkundung eine sichere Basis gegeben haben. Deswegen beginnt nach der Abgabe Sozialisation zu Hause. Erkundung der weiteren Umwelt ist erst dann sinnvoll und sicher, wenn der Welpe zu seinen neuen Bezugspersonen Bindungen aufgebaut hat. Dies geht relativ schnell, lediglich ängstliche Welpen benötigen ein paar Tage länger. Aber, Bindung passiert nicht einfach so. Sie hängt ab vom Auftreten bestimmter Verhaltensreaktionen des Menschen gegenüber dem Welpen:

  • Kontaktliegen (ohne Zwang)
  • Berührungen, die angenehm sind
  • Füttern
  • Befriedigung von Bedürfnissen

Massnahmen zum Aufbau einer Bindung sind das Wichtigste, was ein Welpe in den ersten Tagen nach der Abgabe unbedingt braucht. Sozialisierung ohne den sicheren Hafen der Bindung führt oft zu Ängsten. Berührungen spielen beim Aufbau der Bindung eine bedeutende Rolle. Dabei ist es wichtig, dass der Welpe diese Berührungen geniesst und entspannt wird.

  • Finde beim Kontaktliegen und Schmusen heraus, an welchen Stellen der Hund sich besonders gerne anfassen lässt!
  • Das ist zum einen eine Übung zu Beobachtung und Erkennen von Ausdrucksverhalten. Zum anderen werden so die Möglichkeiten erkundet, einen Hund auch durch Streicheln belohnen zu können.
  • Automatisch findest Du bei dieser Übung auch heraus, an welchen Stellen der Welpe nicht so gerne berührt werden mag oder erregt wird.

Diese Stellen sind die „weissen Flecken“ auf der Landkarte des Körpers. Du kannst jetzt systematisch Berührungen an diesen „weissen Flecken“ mit direkt nachfolgenden Berührungen an anderen, beliebten Stellen verknüpfen.

Die drei Kreise der Sozialisierung

Im 1. Kreis werden in einem überschaubaren Umfeld die Grundlagen für die weitere, gesunde Entwicklung gelegt:

  • Basis für emotionales Wohlbefinden
  • Aufbau von Bindungen
  • Entspannungszone
  • Aufbau von befriedigenden Aktivitäten
  • Entwicklung einer Tagesstruktur, die zwischen Schlaf, Ruhe und verschiedenen Aktivitäten (alle innerhalb des 1. Kreises!) wechselt.

Besonders wichtig ist die Entwicklung von Bezugspersonen zu einem „sicheren Hafen“ für den Hund. Ohne sicheren Hafen wird die weitere Erkundung der Umwelt beängstigend und nachhaltig stressend. Die verschiedenen Aktivitäten im 1. Kreis tragen zur Bindung zwischen Mensch und Hund bei! Der 1. Kreis wird zur sicheren Ausgangsbasis für die weitere Sozialisierung des Hundes und hilft ihm, sich nach anstrengenden Tagen gut zu erholen. Welpen lernen sehr schnell, so dass der 1. Kreis nach ein paar Tagen bereits erweitert werden kann.

Im 2. Kreis lernt der Hund die nähere Umgebung mit den dazu gehörigen Menschen und Tieren kennen. Jetzt zeigt sich, wie sicher die Bindung des Hundes zu seinen neuen Bezugspersonen ist und wie gut er sich zu Hause, im 1. Kreis, entspannen kann.

Der 3. Kreis ist eine Ausdehnung der Erfahrungen des Hundes. Wichtig ist, dass nach neuen Erfahrungen und aufregenden Tagen immer wieder Ruhetage in Verbindung mit einem Zyklus zur Erhaltung des emotionalen Wohlbefindens eingeschaltet werden.

Sozialisation braucht Planung: zu welchen Orte möchte / muss ich meinen Hund regelmässig mitnehmen?

  • Zeit für Umwelterkundung lassen
  • Zeit für Entspannung nehmen
  • Spielen und Suchaufgaben
  • Wechsel von Spielen und Entspannung praktizieren Alternativverhalten, die befriedigend sind, verbessern die Stress-Toleranz des Hundes in belastenden Situationen

Emotionales Wohlbefinden entsteht nicht einfach durch die Abwesenheit von Stressoren. Emotionales Wohlbefinden ist extrem abhängig von Bedürfnisbefriedigung.

  • Ausüben spezifisches Verhalten im Kontext Nahrungserwerb und Beutefangverhalten
  • Austausch sozio-positiven Verhaltens mit Artgenossen und Bindungspartnern, z.B. Spielen
  • Bewegung in einem sicheren Umfeld
  • Ruhen und Schlafen an sicheren Orten

Die verschiedenen Möglichkeiten der Beschäftigung und Bewegung, auch an verschiedenen Orten, leisten zusätzlich einen wertvollen Beitrag zur Sozialisation des Hundes. Jeder Hund braucht Tage, an denen es nur um sein emotionales Wohlbefinden geht. Dies ist eine gute Möglichkeit der Stressreduktion, führt zu Erholung nach belastenden Tagen und macht den Hund körperlich und emotional wieder fit für den anstrengenden Alltag. Welpen brauchen unbedingt diese Möglichkeit! Die Möglichkeiten, die die Bezugspersonen zu Hause haben, um den Sozialisierungsprozess zu unterstützen, werden leider immer wieder unterschätzt. Ein weiteres wichtiges Element ist die Etablierung einer Sicherheitszone innerhalb der Wohnung. Hierbei handelt es sich um einen abgegrenzten Bereich, innerhalb dessen der Welpe ruht und sich eigenständig beschäftigt. Jeder Hund braucht so eine Sicherheitszone! Sie ist die beste Massnahme gegen Trennungsstress.

Begegnungen mit Artgenossen

Die sensible Phase hat ihre wichtigste Funktion im sozialen Kontext. Deswegen sind für die Sozialisation des Welpen Begegnungen mit Artgenossen sehr wichtig. Allerdings sollte man Wert auf die Qualität von Begegnungen legen, nicht so sehr auf die Quantität. Kontakt mit Artgenossen kann verschieden ablaufen. Wesentlich für die weitere Entwicklung des Welpen ist, dass er nicht nur uneingeschränkt Kontakt aufnehmen und spielen kann. Wesentliche Elemente sind:

  • Begrüssung und weitergehen
  • Spielen
  • Beobachten und Distanzvergrösserung

Regelmässiges praktizieren dieser Elemente entwickelt die Frustrationstoleranz des Welpen. Anwesenheit von Artgenossen bedeutet nicht uneingeschränkte Möglichkeit zu Kontakt und Spiel. Artgenossen, zu denen der Welpe Kontakt haben darf, sollten sorgfältig ausgewählt werden. Selbstverständlich soll der Welpe durch Artgenossen lernen können, dass es bei Annäherung und Kontaktverhalten Grenzen gibt. Nach Möglichkeit sollte er aber nicht die Erfahrung machen, dass er wegen Kleinigkeiten attackiert wird.

Emotionales Wohlbefinden erweitern

Emotionales Wohlbefinden wird unterstützt durch gute Lernbedingungen. Lernen kann ganz einfach gemacht werden, indem man erwünschtes Verhalten einfängt. Ein Markersignal ist das perfekte Werkzeug für diese Technik. Von Anfang an wird es mit vielen verschiedenen Belohnungsmöglichkeiten, also nicht nur Futter und Leckerchen, verknüpft. Die Verstärkung erwünschten Verhaltens wird ergänzt durch Management. Management verhindert, dass der junge Hund Fehler machen kann. Lernen wird einfach, wenn die Bezugsperson sich nicht übermässig einmischen. Wenn in einer Situation Erkundung und Neugierverhalten überwiegen, der Welpe also wenig Angst und Konflikt zeigt, reicht die Präsenz der Bezugsperson eventuell mit verbaler Unterstützung aus. In solchen Situationen besteht kein Anlass, lernen mit Futter zu unterstützen. Nimmt nach dem Erkundungsverhalten der Welpe aber Kontakt mit der Bezugsperson auf, so sollte dieses Verhalten unbedingt verstärkt werden. Passende Verstärker sind entspannende Berührungen, Futter und Spiel. Besonders wichtig ist dies bei Welpen, die gerade Angst haben und die Nähe zur Bezugsperson suchen.

Ängstliche Welpen

Ängstliche Welpen sind in ihrem Erkundungsverhalten stark eingeschränkt, weil viele Umweltreize sie immer wieder hemmen. In diesen Fällen sind Nahrungsergänzungen mit Kräutern und Aminosäuren eine gute Unterstützung von Anfang an. Für ängstliche Welpen ist das emotionale Wohlbefinden besonders wichtig; alle aufgeführten Massnahmen sollten genutzt werden. Ängste können überwunden werden!

  • Distanzvergrösserung
  • Stimmungsübertragung durch Anregung, z.B. Angebot von Spiel
  • Gute-Laune-Signal
  • Aufmerksamkeitsteilung durch Spiel und ganz einfache Angebote wie Futtersuchen
  • Kontakt zur Bezugsperson Keinesfalls sollte der Welpe zum Angstauslöser hingelockt werden! Welpen brauchen …
  • Lerngelegenheiten und Lernen am Erfolg
  • Zeit für Umwelterkundung im eigenen Tempo. Spazierengehen lässt ihnen diese Zeit nicht!
  • Begegnungen mit Artgenossen, die verschiedene Kontaktverhalten ermöglichen
  • Zeit für Erholung
  • Sichere Bindungen
  • Gelegenheit, emotionales Wohlbefinden herzustellen: Spiel, Beschäftigung, Bewegung, Ruhe und Schlaf – alles in stressarmer Umgebung
  • Eine Sicherheitszone innerhalb der Wohnung
  • Zeit für ihre Entwicklung! Impulskontrolle, Frustrationstoleranz und Konzentrationsfähigkeit sind beschränkte Ressourcen und beim Welpen noch nicht vollständig entwickelt